„Vor einigen Jahren verbrachten wir das Weihnachtsfest im Haus der Eltern meiner Frau. Es war kein fröhlicher Tag in der Familie. Viel war in den vorausgegangenen Wochen schief gelaufen, und eine schwere Niedergeschlagenheit hing über dem Haus. Doch trotz alledem blieb meine Schwiegermutter bei ihrer Gewohnheit Leute, die wahrscheinlich zu Weihnachten nirgendwo hingehen konnten, zum Weihnachtsessen mit uns einzuladen. In jenem Jahr lud sie einen Mann ein, der in den Augen aller ein seltsamer Kauz und von ziemlich exzentrischem Benehmen war. In der Gemeinde war nicht viel über ihn bekannt, außer dass er regelmäßig kam, alleine im Gottesdienst saß und hinterher ohne lange Gespräche wieder ging. Offensichtlich lebte er allein, und er war eine ziemlich traurige, einsame Gestalt. Er war unser Weihnachtsgast.
Aufgrund anderer Ereignisse im Haus, nicht zuletzt weil eine Tochter gerade zur Geburt ihres Kindes ins Krankenhaus gekommen war, herrschte ziemliche Aufregung. Unsere Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Irgendwann war ich damit an der Reihe, unseren Gast zu unterhalten. Große Lust dazu hatte ich nicht. Da ich das ganze Jahr über viel unterwegs bin, achte ich eifersüchtig darauf, Weihnachten mit meiner Familie verbringen zu können. Diesmal würde mir das entgehen, und darüber war ich nicht glücklich. Als ich im Wohnzimmer saß und mich mit ihm unterhielt, während die anderen beschäftigt waren, dachte ich: Das wird als eines der traurigsten Weihnachtsfeste meines Lebens in die Geschichte eingehen.
Aber irgendwie kamen wir durch den Abend. Er genoss sichtlich das Essen und das knisternde Kaminfeuer im Hintergrund, den Schnee draußen, die Weihnachtslieder und die ziemlich gewichtige theologische Diskussion, in die er und ich uns vertieften – auf seine Initiative hin, wie ich hinzufügen möchte. Er war ein sehr belesener Mann und biss sich, wie ich feststellte, gern an schweren theologischen Themen fest. Das tue ich auch gern, allerdings, offen gesagt, nicht an einem Abend, der dazu bestimmt ist, die stillen Momente des Lebens zu genießen und nicht den polemischen Verstand eines anderen.
Am Ende des Abends, als er sich von uns allen verabschiedete reichte er jedem von uns nacheinander die Hand und sagte: „Danke für das schönste Weihnachten meines Lebens. Ich werde es nie vergessen.“ Dann ging er hinaus in die dunkle, verschneite Nacht, zurück in sein einsames Dasein. Bei diesen bewegenden Worten stiegen bittere Selbstvorwürfe in mir auf. Ich musste mich mit jeder Faser meines Seins zusammenreißen, um nicht in Tränen auszubrechen. Nur wenige Tage später starb er, noch relativ jung und darum zu unserer Überraschung. Dieses Weihnachtsfest habe ich in der Erinnerung viele Male von neuem durchlebt.
Ich hatte meine Lektion gelernt: Der Hauptzweck eines Zuhauses ist es, die Liebe Christi widerzuspiegeln und auszuteilen. Alles andere, was sich diesen Platz anmaßt ist Götzendienst.“ [1]
Christen sollten wissen, dass sich Weihnachten um Jesus dreht. Gott wurde Mensch. Er kam um der ganzen sündigen Welt Gnade zu erweisen und uns vor dem Vater gerecht zu machen. Weil wir das wissen dürfen bringen wir Ihm an Weihnachten natürlich die Ehre, die ihm gebührt! Doch ist das wirklich so?
Ist es nicht vielmehr so, dass wir in die Adventszeit mit einem zweigeteilten Gefühl gehen? In der Schule werden wir von Arbeiten überhäuft, weil es auf die Weihnachtsferien zugeht. Der Dachboden wird auf Weihnachstdekoration durchsucht und das ganze Haus strahlt. Wir müssen uns Gedanken über Geschenke für Familie und Freunde machen und dann die Angst haben, dass es das falsche Geschenk ist. Dazu geben wir viel Geld aus, damit die beschenkte Person auch das Gefühl unserer Wertschätzung bekommt. Um unser jährliches Familientreffen sind wir voller Sorgen, da es, wie das Jahr zuvor, in einem mächtigen Streit enden könnte. Doch zusammen singen wir Lieder von Frieden und Winterlandschaften. Mit einem Glühwein in der Hand schlendern wir über den Weihnachtsmarkt und freuen uns schon auf den kommenden Skiurlaub.
Wenn wir nun ehrlich zu uns selbst sind, dann können wir uns bestimmt mit einem dieser Punkte identifizieren, doch wo ehren wir Jesus hier in gebührlicher Weise?
Unser Verständnis von Weihnachten basiert vielleicht auf unserem kulturellen Umfeld und auf den Marketingstrategien der Geschäfte, die sich auf Umsatz in dieser Zeit einstellen. Aus welchem Grund kam denn Jesus hier auf die Erde?
Es ist eindeutig, dass wir den eigentlichen Sinn verfehlen, wenn wir Weihnachten als etwas sehen, dass jedes Jahr einmal stattfindet. Wenn wir uns beschenken lassen und anderen Geschenke weitergeben, dann folgen wir einem Bild von Weihnachten. Doch Weihnachten bedeutet eigentlich so viel mehr.
Es fing alles mit der Geburt von Jesus an. Der Messias, von dem im Alten Testament die Rede ist, kommt auf die Erde. Doch anders als gedacht wird ihm kein roter Teppich zum Königspalast ausgerollt, denn schon zu seiner Geburt scheint es so, als wollte ihn niemand haben. Jesus stieß bei den Schriftgelehrten auf Ablehnung und jene Menschen die ihm bei der einen Gelegenheit zujubelten wandten sich später gegen ihn. Und selbst als er verraten wurde, konnte man das Licht seiner Barmherzigkeit und Liebe nicht übersehen. Er wurde auf grausamste Art hingerichtet und gerade als er die letzten Atemzüge nahm, ließ seine Gnade nicht nach. Er, der für uns Verbrecher gekommen ist, starb wie ein Verbrecher an diesem Kreuz. Jedoch hört die Geschichte hier nicht auf, sondern endet im glorreichen Sieg seiner Auferstehung. Er hat den Tod besiegt und uns gerecht gemacht, er hat uns gezeigt, was es heißt zu lieben und befahl uns diese Liebe weiterzugeben. Er hat uns ein Zuhause bei ihm gegeben, damit wir seine Liebe widerspiegeln und austeilen.
Was bedeutet Weihnachten nun?
Weihnachten ist nicht irgendein Abschnitt, der jedes Jahr wiederkehrt, Weihnachten ist wohl eher die Erinnerung an diese Liebe und eine Aufforderung zur Selbstreflektion. Jesus kam nicht in erster Linie um irgendwelche Geschenke zu bekommen und auszutauschen. Dennoch, im Anbetracht seiner Ablehnung, gab er uns wohl das größte aller Geschenke; seine Liebe. Jetzt liegt es an uns diese Liebe nicht für uns zu behalten, sondern weiterzugeben.
Ich denke, um ein gutes Bild davon zu bekommen, was es bedeutet diese Liebe widerzuspiegeln und auszuteilen, sehen wir bei den Jüngern Jesu. Sie wussten ganz genau, wo sie ihr Zuhause gefunden hatten und dieses Bewusstsein bewegte viele von ihnen dazu ihre Häuser zu verlassen und in ferne Länder zu gehen. Der Begriff Zuhause bedeutete für sie nicht, dass sie irgendwo ein Haus bauten, um sich dort mit der Familie zu umgeben und sich zurück zu ziehen. Das Zuhause hatten sie in Jesus gefunden und so verkündeten sie die vom Himmel gesandte Botschaft, die ihrem Zuhause einen neuen Sinn gegeben hatte. Diese Botschaft war ihnen so wichtig, dass sie alles dafür aufgaben und elf von ihnen (inklusive Paulus) mit ihrem Leben dafür bezahlten.
Weihnachten ist keine Wohlfühlzeit für uns Christen, in der wir bei allen Traditionen mitmachen und wieder einmal an Jesus denken. Weihnachten oder besser gesagt die Geburt Jesu ist ein Ereignis an das wir jeden Tag denken sollten. Und es sollte für uns unumgänglich sein diese Liebe auch weiterzugeben.
„Ich habe mein halbes Leben lang aus dem Koffer gelebt und manchmal diese Welt häufiger aus zehntausend Metern Höhe als vom festen Boden aus gesehen. Ständig muss ich nachsehen und wieder nachsehen, wo ich meinen Pass und mein Portemonnaie und all die anderen Dinge habe, die zum Leben unterwegs gehören. Wann immer ich mein Hotelzimmer verlasse, verschließe ich meine Koffer und verdrehe das Zahlenschloss. In meinem Pass sind Visa aus fernen und nahen Ländern eingestempelt. Grenzbeamte oder Polizisten haben Dutzende von Malen ihre Routine an mir vollzogen. Ich bin mir ständig bewusst, mich auf fremden Boden zu befinden und schaue mich gewohnheitsmäßig über die Schulter um. Ach! Könnte ich doch verlässlich geborgen sein und immer dableiben dürfen. Es ist die Realität des Kreuzes, das sich tief in meiner Seele schneidet, die mir den Trost einer endgültigen Heimat gibt, die mich erwartet.“ [2]
Lasst uns doch dieses Weihnachten einmal den Fokus nicht auf Geschenke und gesellschaftliche Pflichten legen, sondern auf unser Zuhause, das uns auffordert, die wahre Liebe Jesu und die Realität des Kreuzes weiterzugeben in der wir diese Geborgenheit finden können!
Quellenangaben:
[1] Ravi Zacharias: Jesus – der einzig wahre Gott? S. 60-62
[2] Ravi Zacharias: Jesus – der einzig wahre Gott? S. 228-229